Heilige Schrift III
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Es ist hier nun nicht der Raum, um auf die Knechtsgestalt der Heiligen Schrift näher einzugehen. Sie weiß von einem geschichtlichen Entstehen jedes einzelnen Buches. Sie nennt uns jene Menschen, die unter der Einwirkung Gottes entweder nur gesprochen oder auch geschrieben haben. Sie redet von jenen Zeitaltern, wo das Wort der Offenbarung nur durch mündliche Tradition oder auf Pergamentrollen weitergegeben werden konnte. Sie kennt die Versuche, durch die zunächst einzelne Bücher auf Grund mündlicher Überlieferungen oder schriftlicher Aufzeichnung zusammengestellt wurden. Ihr ist nicht unbekannt, dass solch eine Zusammenstellung der verschiedenen Bücher zum alttestamentlichen Kanon erst im Laufe von Jahrhunderten vollendet werden konnte. Die Texte der einzelnen Bücher verraten ihr, dass kein einziges Buch uns in seinem ursprünglichen Textzustand erhalten geblieben ist. Nicht selten ist der Urtext beim Abschreiben verstümmelt oder aber in seinem Inhalt unverständlich überliefert worden. All dieses gehört mit zur Knechtsgestalt der Heiligen Schrift.
Den Menschen blieb aber in jedem Zeitalter die Freiheit, dieser Knechtsgestalt der Bibel gegenüber eine verschiedene Stellung einzunehmen. Unendlich viele zerbrachen innerlich an solch einer Knechtsgestalt der Schrift. Ihr Glaube ans Wort Gottes erlitt Schiffbruch. In ihrer kritischen Stellung sahen sie im Zeugnis der Bücher des Alten Testaments nur noch die Religionsgeschichte des israelitisch-jüdischen Volkes. Das Buch der Bücher lag mithin für sie hinfort auf derselben menschlichen und zeitlichen Ebene wie jedes andere Geschichtsbuch. Verständlich, dass aus diesen Kreisen die schwersten Gegner der Bibel hervorgehen mussten.
Andere suchten sich vor dem Paradoxon des Göttlichen und Menschlichen in der Bibel dadurch zu retten, dass sie auch das Menschliche ins Göttliche erhoben. Sie vergesetzlichten den persönlichen Verkehr mit Gott und töteten durch den Buchstaben den Geist der Schrift. Aus diesen Kreisen gingen in jedem Zeitalter jene Schriftgelehrten hervor, die in ihrem religiösen Fanatismus Christus als die Offenbarung Gottes schlechthin ans Kreuz schlugen. Fehlten in ihrem Zeitalter erst die Stimmen der Propheten, dann redeten alsbald solche Schriftgelehrten. Sie brachten das Volk nicht in eine lebendige Beziehung zu Gott, stellten es vielmehr unter die Herrschaft des Buchstabens und der Religion.
Es gab aber auch immer wieder weiteste Kreise, die sich nicht stießen an der Knechtsgestalt der Bibel. In ihrer Sehnsucht nach Gott gewannen sie ein Ohr für die Sprache Gottes durch die Bibel. Trotz deren Knechtsgestalt blieb ihr Inhalt ihnen das klarste vom Heiligen Geist beglaubigte Zeugnis von Gott. Nicht etwa Ersatz für Gott war ihnen die Bibel. Durch ihre Zeugnisse kam Gott aber immer wieder zu ihnen, um sie zu erleuchten, zu begnadigen, zu stärken und zu erlösen… Aus diesen Kreisen setzte sich auch im Laufe der letzten zwei Jahrtausende die wahre Kirche Christi zusammen. Sie bekannten in jeder Krisenzeit der Geschichte mit Petrus: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens! Innerhalb der wahren Kirche war man sich aber auch stets der menschlichen Grenzen im Verständnis der Schrift bewusst… Die in der Schrift forschende Gemeinde durfte zu allen Zeiten damit rechnen, dass der Heilige Geist bereit ist, ihr das Wort der Schrift wirklich als ein Wort von Gott zu erschließen. Er ist der Schöpfer der Schrift, so stark er sich auch der Menschen bediente, um sie durch deren Mitarbeit entstehen zu lassen… Betende Menschen haben nie den Geist der Heiligen Schrift verloren. Ihnen erschloss sich Gott durch die Schrift in seiner Majestät, Herrlichkeit und Erlösung. Nicht fanatische Schriftgelehrte, wohl aber von Gott erleuchtete Persönlichkeiten wurden sie, wenn sie ehrfurchtsvoll zu horchen suchten, was Gott ihnen durch die Schriften des Alten und Neuen Testaments sagen wollte.
Zitat-Nr: 1877; Quelle: 45;